Der 3. Stand
Darstellergruppen > Zivil > Zivildarsteller
Der Bereich der Zivildarsteller umfasst im Prinzip die gesamte damalige Gesellschaft, vom Adel über das gutsituierte Bürgertum, zu den Handwerkern, Lehrern, Musiker, Künstler, Kaufleuten bis hin zu den Bauern, Feld- und Waldarbeitern, Waschfrauen, Marketenderinnen, Tagelöhnern und Bettlern. Den Schwerpunkt bildet natürlich der "3.Stand" also die gewöhnliche Bevölkerung.
Zivildarsteller des 18. Jahrhunderts in Lauterbach (Hessen)
Bei unseren Veranstaltungen wirken stets viele Einzeldarsteller mit, die keiner Darstellungsgruppe angehören, dennoch aber Vereinsmitglieder sind. Eine Mitgliedschaft im Verein Gesellschaft für Hessische Militär- und Zivilgeschichte oder gar eine Organisation als Gruppe, ist nicht zwingend erforderlich, um an den zahlreichen Veranstaltungen teilnehmen zu können. Eine Mitgliedschaft im Verein ist allerdings bei regelmäßiger Teilnahme wünschenswert und sinnvoll.
Vom Mittelalter bis zum Ende des ersten Weltkrieges war die „Ständegesellschaft“ in den europäischen Staaten das gängige Staatsmodel: Der erste Stand, der Klerus, der zweite Stand, der Adel und der dritte Stand, das Volk. Der dritte Stand wird gemeinhin mit Bauern und einfachem Volk gleichgesetzt, diese größere Bevölkerungsgruppe war jedoch weitaus vielschichtiger und hatte – wie jede andere Standesklasse - strenge Hierarchien. So standen Großgrundbesitzer, reiche Geschäftsleute, Professoren, Bürgermeister, Richter, Amtspersonen und Räte an der Spitze. Bürger, Händler, Handwerker und Bauern bilden die nächste Stufe. Der Begriff ‚Bauer‘ ist hier im damaligen Kontext zu verstehen, damit ist ein freier Bauer mit Grundbesitz gemeint, vergleichbar mit einem Gutsherrn. Menschen die auf den Feldern arbeiteten nannte man Knechte. Knechte verrichteten die schweren Arbeiten auf den Guts- und Bauernhöfen, sie waren Feld- und Stallarbeiter. Frauen verrichteten ihren Dienst als Mägde. Dann folgen Künstler, Tagelöhner, Landarbeiter, einfache Arbeiter, Soldaten und Wäscherinnen. Soldaten übten außerhalb der Dienstzeit stets einen handwerklichen Broterwerb aus.
Am unteren Ende rangieren Leibeigene, sie waren unfrei und standen in
direkter Abhängigkeit zu ihrem meist adeligen Gutsherren.
Leibeigenschaft war vorwiegend auf dem Lande anzutreffen, geriet man als
Freier in wirtschaftliche Not, so war die Leibeigenschaft eine
Möglichkeit ein Auskommen zu haben: Leibeigne bewirtschafteten die
Felder der Gutsherren, mussten einen beträchtlichen Teil des
Erwirtschafteten als Pacht an den Gutsherren abführen. Im Gegenzug
verpflichtete sich der Leibherr für seine ihn anvertrauten Leibeigenen
in der Not zu sorgen. Leibeigene unterstanden jedoch direkt der
Gerichtsbarkeit des Leibherren, auch durften Ehen nur mit Erlaubnis
geschlossen werden. In den meisten Deutschen Staaten wurde die
Leibeigenschaft während der napoleonischen Besatzung aufgehoben (im
Königreich Westphalen und in Nassau 1808, im Großherzogtum Hessen 1811).
Neben dem historischen Handwerk, der Landarbeit und dem
einfachen Leben der ländlichen Bevölkerung wird auch das bürgerliche
Leben in den Städten und auch die adelige Gesellschaft thematisiert und
dargestellt. Auch die krassen Gegensätze zum heutigen Leben, wie tiefe
Religiosität und heidnischer Aberglaube, absolute Not und Armut, Willkür
der Gerichtsbarkeiten sind Inhalt der Darstellungen.
Ebenso auch die Keimzellen der Aufklärung im gehobenen Bürgertum, bis
hin zum vorrevolutionären Gedankengut, das im direkten Zusammenhang mit
dem Unabhängigkeitskrieg in Amerika steht: Der Ausgangspunkt für den
weiten Weg zur modernen Demokratie.
Gruppenleiter
Andreas Wellstein